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Wenn der Job zur Beziehung wird

Laptop auf Schreibtisch, Job

Früher war alles anders!

Ein Satz, den sicherlich viele von uns nicht nur einmal in ihrem Leben gehört haben und gerade im Arbeitsleben oft zu den Standard-Floskeln zählt und regelmäßig zu Augenrollen führt. 

Der Satz an sich ist ja nicht einmal verkehrt, denn früher war tatsächlich vieles anders. Wir hatten keine Smartphones mit unlimitierten Datenvolumen, sondern zählten Zeichen auf unserem Nokia 3210, damit wir die SMS auch verschicken konnten. Wir gingen ins Kino, um die neuesten Blockbuster anzusehen und hingen nicht stundenlang im Netflix-Universum ab. Ja, es war anders, aber war es auch immer besser?

 

Im Hinblick auf Corona würden dem sicherlich viele zustimmen. Corona hat alles auf den Kopf gestellt! Und dennoch wage ich zu behaupten, dass die Zeit auch etwas Gutes hat. Viele Menschen haben die Zeit genutzt, um über sich und ihren Lebensentwurf nach zu denken. Auch ich habe die Zeit genutzt und einige Dinge hinterfragt. Beispielsweise meine Sichtweise auf die Säule "Beruf". 

 

Ich bin der absoluten Überzeugung, dass ein Job nicht nur ein Job ist, sondern ein selbstgewählter Beruf, der bestenfalls den eigenen Werten entspricht, sinnvoll ist und mit dem es möglich ist, einen wertvollen Beitrag zu leisten. Ein idealistisches Bild, das wie alles in der Welt eine Sonnen- und eine Schattenseite hat!

 

Esther Perel, Psychotherapeutin aus New York, erläutert, dass die Beziehung zur Arbeit und die Beziehungen auf der Arbeit vergleichbar sind mit Liebes-Beziehungen. Liebe und Arbeit sind für viele Menschen die beiden wichtigsten Säulen im Leben, mit denen gleichzeitig sehr hohe Erwartungen verbunden sind. Wir wollen uns sowohl in der Arbeit als auch in der Liebe selbst verwirklichen, wir wollen Verbindlichkeit, aber auch Freiheit und sehnen uns nach Stabilität, aber auch nach persönlicher Weiterentwicklung und Veränderung. Viele unterschiedliche Bedürfnisse also, die viele Chancen beinhalten, aber insgesamt sehr schwer ins Gleichgewicht gebracht werden können. Das bedeutet ergo: Stress ist vorprogrammiert!

 

Die Gründe dafür sind so einfach wie einleuchtend: Viele Menschen leben alleine oder mit ihrem/r Partner/in in einer anderen Stadt, oft mit einer gewissen räumlichen Distanz zu Eltern und Verwandten. Soziale Zugehörigkeiten (Kirchengemeinde, politische Parteien, Vereinstätigkeiten etc.), wie sie viele aus Kindertagen kennen, werden in der neuen Umgebung nicht in Anspruch genommen, sondern quasi von der Arbeitswelt absorbiert. Somit gewinnt die Säule "Arbeit" und die Beziehungen dort immer stärker an Gewichtung und eine Trennung zwischen Arbeitsleben und Privatleben verschwimmt zunehmend. 

 

Und wie bei allen Beziehungen geht auch die Beziehung zur Arbeit nur so lange gut, bis etwas die Ordnung stört. In der aktuellen Situation ist der Störfaktor die Pandemie. Kurzarbeit, der Wegfall von Aufträgen, Homeoffice und die Unsicherheit, ob und wie es weitergehen wird, haben auch meine Säule "Arbeit" ganz schön ins Wanken gebracht und mir gleichzeitig die Augen geöffnet! 

 

Es ist völlig in Ordnung, ein idealistisches Bild seines Berufs zu haben und an die damit verbundenen Ideale zu glauben! Schwierig wird es nur dann, wenn wir uns zu sehr von dieser Säule abhängig machen und uns ausschließlich darüber definieren. Denn dann ist die Gefahr der emotionalen Abhängigkeit und Betroffenheit umso größer, wenn diese Säule ins Wanken gerät. Genauso verhält es sich ja auch mit der Säule "Liebe", nur ist es uns da viel bewusster!

 

Ich glaube an das Zitat von Augustinus Aurelius "In Dir muss brennen, was du in Anderen entzünden willst."

Ich glaube aber auch, dass es wichtig ist, sich dabei nicht zu ver-brennen! 

 

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein gesundes Spiel mit dem Feuer und wenn es Ihnen doch mal zu heiß werden sollte, hilft wie so oft zumeist etwas Abstand!

 

 

Ihre

Barbara Ries 

 

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