Everybody´s darling? Bitte nicht!

Wussten Sie, dass rund ein Drittel der Menschen aus Ihrem Umfeld anderer Meinung ist als Sie? Das behauptet zumindest die Psychologin Laura Ritthaler. Übertragen wir dies auf Deutschland, träfe das auf knapp 28 Millionen von den insgesamt 83 Millionen Menschen zu. Auf jemanden mit einer anderen Meinung zu treffen, ist also gar nicht mal so unwahrscheinlich.

 

Weshalb ich Ihnen das erzähle?

 

In einer Welt, die geprägt ist von „Daumen hoch“, „Daumen runter“, „Gefällt mir“ oder „Folgen“ und „Entfolgen“ ist die Bewertung durch Andere und das Gefallen-wollen zu einer inoffiziellen Währung geworden. Dieses nicht-anecken-wollen oder nicht-anecken-dürfen war dabei in unseren früheren Zeiten eine nicht nur sehr erfolgsversprechende, sondern meist sogar überlebenswichtige Strategie, sagt Jason Zook, Autor des Buchs „Own Your Weird“. Denn wir Menschen waren abhängig von dem Schutz, den die Gemeinschaft uns gegeben hat. Ein aus-der-Reihe-fallen konnte hingegen dazu führen, von den eigenen Reihen verstoßen zu werden, was in unseren Urzeiten einem Todesurteil gleich kam.

 

Jetzt könnte man meinen, diese Zeiten hätten wir längst überwunden. Leider Mitnichten. Obwohl wir heute nicht gleich sterben, wenn wir aus der Reihe tanzen und für unser Leben andere Entscheidungen treffen als andere, haben wir dennoch oft Bammel vor den Reaktionen und Bewertungen unseres Umfelds.

 

Dass dieses Verhalten immer noch zu beobachten ist, verwundert den Psychologen Wayne D. Dyer allerdings wenig. In seinem Buch „Der wunde Punkt“ beschreibt er, dass wir in einer Kultur leben, die den heranwachsenden Kindern lehrt, dass es in den meisten Fällen besser ist, sich auf andere zu verlassen als seinem eigenen Urteil zu vertrauen. Wenn Kinder anständig und brav sind und nicht auffallen, bekommen sie Sternchen-Stempel, gute Noten und zur Belohnung ein Eis. Unterm Strich wird also das belohnt, was die Erwachsenen als richtig beurteilen. Verhalten sich Kinder hingegen anders, ernten sie Augenrollen oder werden im schlimmsten Fall mit dem Label „Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom, kurz ADHS“ etikettiert (laut Aussage des US-amerikanischen Neurologen Richard Saul leiden tatsächlich lediglich 5% von 5000 Patienten an ADHS). Ein gelassener Umgang mit Andersartigkeit sieht sicherlich anders aus. Kein Wunder also, dass wir unsere Aufmerksamkeit immer wieder auf Andere und deren Bewertungen richten.

 

Jetzt könnten wir jammern und uns hinter dem Argument verstecken, wir wären alle Opfer unserer kulturellen und sozialen Prägung. Wirklich lösungsorientiert ist dieser Ansatz jedoch nicht. Was sind also praktische Alternativen, um mit Bewertungen und deren Auswirkungen gelassener umzugehen und sich stärker auf sich zu verlassen? Ich hätte dafür 7 Vorschläge:

 

1. Machen Sie sich den Steinzeit-Instinkt bewusst

Ein wesentlicher erster Schritt ist es, sich darüber im Klaren zu sein, nach welchen Reiz-Reaktions-Schemata wir Menschen ticken. Es ist also völlig okay und normal, sich Gedanken zu machen, was wohl das Umfeld von den eigenen Entscheidungen hält. Wir sollten diese Reaktion allerdings relativieren und nicht überbewerten!

 

2. Seien Sie milde zu sich

Wir selbst sind oft unsere schärfsten Kritiker und gehen hart mit uns ins Gericht. Ein Perspektivwechsel kann da Wunder bewirken: „Wie würde ich reagieren, wenn ein/e Andere/r sich so entscheiden/verhalten würde?“ Sie werden schnell feststellen, dass Sie mit Anderen weit milder umgehen. Schneiden Sie sich davon also gerne ein oder paar Scheiben mehr ab!

 

3. Bleiben Sie realistisch

Es ist schlicht nicht möglich, es allen Recht zu machen, denn egal wie sehr Sie sich anstrengen, denken Sie an das eine Drittel, das auf jeden Fall eine andere Meinung als Sie haben wird!

 

4. Differenzieren Sie die Bewertung

Bewertungen haben viel mehr mit der Person zu tun, die bewertet, als mit der Person, die bewertet wird. Vielfach geht es bei dem Bewerter nämlich stark um die eigenen oft unerfüllten Bedürfnisse und Wünsche, die durch Ihre Entscheidung oder Ihr Verhalten beim Anderen angesprochen oder in Erinnerung gerufen werden. Dies geschieht beim Gegenüber natürlich häufig unbewusst. Differenzieren Sie also ganz klar Ihre Entscheidung/Ihr Verhalten von Ihnen als Person. Heißt: Ist jemand nicht einverstanden mit Ihrer Entscheidung, Meinung oder Ihrem Verhalten, bedeutet dies nicht, dass er mit Ihnen als Person nicht einverstanden ist.

 

5. Identifizieren Sie Ihre eigenen Bedürfnisse und Werte

Damit Sie selbst nicht in die Falle tappen, Andere aufgrund Ihrer eigenen unerfüllten Bedürfnisse zu bewerten, hilft es, sich seiner eigenen Bedürfnisse und Werte zunächst bewusst zu werden und diese in Worte zu fassen. Fragen Sie sich, was ist Ihnen wichtig, z.B. im Umgang mit Anderen? Was bringt Sie in Rage? In welchen Momenten fühlen Sie sich zufrieden? Je mehr Sie darüber wissen, was Sie wollen und aus welchem Grund sie es wollen, desto gelassener können Sie mit möglichen Bewertungen Anderer umgehen bzw. desto weniger wichtig nehmen Sie deren Bewertung.

 

6. Spiegeln Sie Ihre Bedürfnisse und Werte Ihrer Umwelt

Und falls Sie sich doch einmal durch das Augenrollen Ihres Gegenübers ungerecht bewertet fühlen, spiegeln Sie ihr oder ihm Ihre Empfindungen. Oft ist es dem Anderen gar nicht bewusst, was das Augenrollen bei Ihnen bewirkt hat. Geben Sie ihr/ihm also eine Chance, das zu erkennen.  

 

7. Feiern Sie Erfolge

Belohnen Sie sich doch einfach mal selbst, wenn Sie zu sich und Ihren Bedürfnissen stehen oder bemerken, dass es für Sie absolut okay ist, dass der Andere anderer Meinung ist.

 

Auch wenn wir Menschen Herdentiere sind, ist jeder von uns einzigartig! Doch diese Einzigartigkeit zeigt sich nur, wenn wir zu unseren Ecken und Kanten stehen und diese auch verdeutlichen und ausdrücken. Ducken wir uns hingegen weg oder passen uns jeder Situation wie ein Chamäleon an, bleiben wir hingegen selbst auf der Strecke.

 

Sie können Ihr schärfster Kritiker oder Ihr treuester Fan sein…die Entscheidung liegt einzig und allein bei Ihnen!

 

In diesem Sinne, packen wir´s an!

 

Ihre

Barbara Ries

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