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Das Klischee der harten (weiblichen) Führungkraft braucht dringend ein Update

Letzte Woche hatte ich ein sehr interessantes Gespräch mit einer jungen Frau in den Mitt-20ern. Sie erzählte mir, dass sie ab dem kommenden Januar ein kleines Team als Führungskraft übernehmen wird und ziemlich Bammel vor der bevorstehenden Führungsaufgabe hat. Denn sie wüsste nicht, ob sie es schafft, hart und distanziert genug zu sein. Denn sie hat in ihrer Berufslaufbahn einige solch respekteinflößender Führungskräfte kennen gelernt und die hätten ihr dies unbedingt geraten. Zudem haben sie ihr empfohlen gerade als Frau darauf zu achten, weniger weiblich zu sein, sondern stattdessen stärker männliche Attribute zu zeigen, um wirklich respektiert zu werden. 

 

Nachdem ich meinen ersten inneren Schock überwunden hatte, fragte ich sie, ob diese Führungskräfte denn auch ihre Vorbilder seien und ob sie gerne für sie gearbeitet hat oder arbeiten würde. Beides verneinte sie kopfschüttelnd. Wie kann es also sein, dass eine junge Frau davon überzeugt ist, bestimmte Klischees als angehende Führungskraft erfüllen zu müssen, obwohl sie genau diese als abschreckend empfindet? Und wie viel Wahrheit steckt hinter solchen Stereotypen? So viel sei bereits gesagt: Es ist komplizierter als gedacht!

 

Marion Büttgen, Professorin am Lehrstuhl für Unternehmensführung an der Universität Hohenheim, forscht unter anderem darüber, wie sich Frauen und Männer in ihrem Verhalten als Führungskräfte unterscheiden. Spannend ist, dass sich bei Untersuchungen in der Top-Führungsebene in deutschsprachigen Ländern frauentypisch empfundene Eigenschaften wie "empathisch, einfühlsam, kompromissfähig" nicht bestätigt haben. In diesem untersuchten Kreis gab es bei den wichtigsten Persönlichkeitsmerkmalen fast keine signifikanten Unterschiede zwischen Frauen und Männern. Beide legen somit typisches Alphatierverhalten an den Tag. Lediglich zwei Ausnahmen gab es:

  • Die eine ist Offenheit für Erfahrungen, d.h. wie phantasievoll, kreativ und offen für Neues ein Mensch ist. Hier erzielten weibliche Führungskräfte deutlich höhere Werte.
  • Die andere Ausnahme war Verträglichkeit. In dieser Dimension haben die weiblichen Führungskräfte signifikant niedriger gepunktet als Männer. Frauen waren also eher kompetitiv, streitsüchtig, aggressiv und selbstherrlich und weniger kompromissbereit, kooperativ und harmoniesuchend.

Ich finde diese Erkenntnisse schockierend und traurig gleichermaßen und es drängt sich sogleich die Frage auf: Werden Frauen so, um "nach oben" zu kommen? Oder kommen sie "nach oben", weil sie so sind? Persönlichkeitsstrukturen gelten generell als sehr stabil, sagt die Persönlichkeitsforschung. Daher spricht wohl einiges dafür, dass es bis dato gerade die Frauen nach oben schaffen, die diesem harten, kompetitiven und leistungsstarken Persönlichkeitstyp entsprechen. Und solange Unternehmensstrukturen hierarchisch geprägt bleiben, ist es laut Büttgen quasi ein Naturgesetz, dass sich Persönlichkeitstypen durchsetzen, die sich kompetitiv nach oben kämpfen. Aufgrund dieser Ergebnisse müssten wir den Empfehlungen, die die junge Frau von oben erhalten hat, wohl zähneknirschend zustimmen. 

 

Aber: Auf den unteren und mittleren Führungsebenen zeigt sich dankenswerter Weise ein ganz anderes Bild. Hier ist das Spektrum deutlich breiter und diverser. Und genau hier ist ein entscheidender Ansatzpunkt. Denn: Je höher die Diversität in den unteren und mittleren Führungsebenen, desto höher ist die Chance, dass es weiter oben auch irgendwann vielfältiger wird. Doch dafür bedarf es wesentlicher Unternehmensinterner Veränderungen und vor allem die Bereitschaft, etwas zu ändern. Das betrifft einerseits die Art und Weise, wie gearbeitet wird, aber eben auch mit welchen Werten dies geschieht. 

Wenn Unternehmen mehr nach dem Sinn ihres Tuns fragen und ihren eigentlichen Zweck reflektieren und bedenken, dann haben auch Personen mit anderen Charaktereigenschaften Chancen besser nach oben zu kommen. Bei all dem braucht es aber eine Führungsebene und Gremien, die von Diversität überzeugt und geprägt sind und den Auswahlmechanismus entsprechend offen gestalten.

 

"Zum Führen müsse man geboren sein" ist ein weiteres Klischee, das sich sehr hartnäckig hält und dazu führt, dass gerade Frauen den Weg in diese Richtung scheuen. Das hängt weniger mit den biologischen Faktoren zusammen als damit, dass Frauen sich weniger zutrauen und häufiger unsicher sind, ob sie für die Führungsrolle schon erfahren genug sind. An der Stelle sei nochmals betont: Führung ist erlernbar! Dabei ist wichtig, sich folgenden Satz zu Herzen zu nehmen:

 

Wer andere führen möchte, sollte sich zunächst selbst führen können.

 

Und dazu braucht es Reflexionsfähigkeit, das Wissen um die eigenen Stärken, Veränderungsbereitschaft und Entscheidungsfreude. Und dann geht es nicht mehr um die Frage, ob Führen erlernbar ist, sondern ob jemand führen möchte! Unabhängig von Geschlecht oder sonstigen Unterscheidungsmerkmalen.

 

Die junge Frau erfüllt all die oben genannten grundlegenden Eigenschaften die sie als gute Führungskraft braucht! Ich wünsche ihr daher Vertrauen und Mut in sich selbst und Menschen in ihrem Umfeld, die sie in ihrem Lernprozess unterstützen und in ihrem Wesen fördern und fordern.

 

Jeder von uns kann einen Beitrag leisten, damit die Arbeitswelt vielfältiger wird und sich Unternehmen verändern. Nicht nur in den Führungsebenen, sondern auf jeder Ebene! Die Bedüfnisse haben sich verändert! Es wird Zeit, dass die Arbeitswelt diesen Bedürfnissen Rechnung trägt. Nur so ist Chancengleichheit und Gerechtigkeit möglich.

 

Es gibt also noch einiges zu tun! Packen wir es an!

 

Ihre

Barbara Ries 

 

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