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Der Prophet im eigenen Land bedarf mehr Beachtung

Für die Begleitung von Veränderungs- und Transformationsvorhaben greifen Unternehmen sehr häufig auf die Hilfe von uns externen Beratern zurück. Das hat unter anderem den Vorteil, dass wir ohne Betriebs-blindheit und politischen Irrungen und Wirrungen Prozesse oft aus einem anderen Winkel betrachten können und damit die ein oder andere kreative Idee oder auch Herangehensweise vorschlagen können, die von intern oft nicht gesehen wird. 

 

Das bedeutet allerdings keineswegs, dass Ideen und Vorschläge interner Kolleginnen und Kollgen damit keine Bedeutung mehr zukommt. Ganz im Gegenteil. Aus meiner Erfahrung ist es genau die gemeinsame Zusammenarbeit zwischen intern und extern, die einen tiefgreifenden Veränderungsprozess erst zum Gelingen bringen kann. Und doch passiert es leider in der Realität sehr häufig, dass "der Prophet im eigenen Land nichts wert ist". Dadurch riskieren Unternehmen einerseits, dass die Transformation gegen die Wand fährt und noch viel schlimmer, dass engagierte Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter und Führungskräfte vor den Kopf gestoßen und damit demotivert werden. Doch wieso ist das so? Und vor allem wie können Unternehmen gegensteuern?

 

Eine Studie von der EBS Business School gemeinsam mit der Personalberatung Boyden hat 2017 Führungskräfte, Manager und Vorstände von großen Konzernen und mittelständischen Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen zu folgender Frage befragt: "Leadership in der digitalen Welt – wo stehen die deutschen Unternehmen?“

Es kam u.a. heraus, dass rund 81% der deutschen Manager glauben, dass sie nur bedingt auf die Herausforderungen der Digitalisierung vorbereitet sind. Wenig überraschend werden sie jetzt antworten. Die Corona-Pandemie hat diese Lücke dann ja auch mehr als deutlich gemacht. Doch weitaus interessanter ist der Grund, den 65% der Befragten bereits damals identifiziert haben: Es liegt nämlich wohl an einer bestimmten Personengruppe, die sich besonders schwer mit der Umsetzung tut und dadurch den größten Widerstand leistet: das mittlere Management. Also weder das Top-Management noch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gelten als größte Bremser, sondern das mittlere Management. Denn diese Ebene fürchtet aufgrund der Veränderungen oft am meisten um ihre Positionen und Beförderungen. Dass dabei jeder dritte der Ansicht ist, dass es in Transformationsvorhaben zwingend Kompetenz von außen benötigt und jeder fünfte einen Interims Manager hierfür einstellen würde, verwundert nicht. Der Blick nach innen in Richtung eigener Talente fehlt hingegen völlig. Ein fataler Fehler, der wenn überhaupt oft erst dann erkannt wird, wenn die Talente die Reißleine gezogen haben und das Unternehmen verlassen. 

 

Was können Unternehmen also vorsorglich tun?Folge nde Punkte sollen Ihnen hierfür als Impulse dienen: 

 

Interner Fokus

  • Holen Sie Ihr mittleres Management und Ihre Belegschaft frühzeitig im Prozess ab und halten Sie Ihre Kommunikation offen und transparent. 
  • Bleiben Sie regelmäßig im Austausch mit Ihren Führungskräften und Mitarbeiter/innen und definieren Sie gemeinsam, welche internen Talente den Prozess wegweisend unterstützen könnten.
  • Unterstützen Sie Ihr mittleres Management dabei ein offenes Ohr für die Belange und Anliegen der Belegschaft zu haben, in dem Sie selbst als Vorbild vorangehen.
  • weitere Impulse können Sie darüber hinaus meinem vergangenen Beitrag "Wann Veränderungsprozesse erfolgreich sind" entnehmen.

 

Externer Fokus:

  • Holen Sie sich rechtzeitig Hilfe von extern und achten Sie bei der Auswahl der externen Beratungsfirma darauf, dass diese Ihre internen Führungskräfte und Mitarbeiter/innen in den Prozess mit einbeziehen und keinen Alleingang anstreben. Sie als Unternehmen und Ihre Menschen stehen im Vordergrund, nicht die Verwirklichung der/die Berater/in! 
  • Entscheiden Sie sich für ein Beratungsunternehmen. Dadurch vermeiden Sie unnötige Koordinierungs- und Abstimmungsschleifen und die eingesetzten Beraterinnen und Berater sprechen alle in derselben Sprache. Gerade bei Veränderungsprozessen gilt nämlich der Grundsatz: "Viele verschiedene Köche verderben den Brei".
  • Eine gute Berater-Auswahl können Sie u.a. daran erkennen, dass der/die Berater/in dabei jede einzelne Hierarchieebene auch separat betrachtet und entsprechend mit Workshops, Coachings etc. begleitet oder Begleitung vorschlägt (je nach Kompetenz). So können Ängste, Überforderung oder auch Frustration frühzeitig erkannt und hier gegengesteuert werden. Zudem kann sich auch erst dann ein Gesamtbild und mögliche Stellschrauben für die Beraterinnen und Berater ergeben.
  • etc.

 

Es mag im ersten Augenblick paradox klingen, dass ich als selbstständige Trainerin und Beraterin mich dafür stark mache, dass die interne Belegschaft in Veränderungsprozessen stärker gehört wird. Schließlich könnte man meinen, ich untergrabe damit meine eigene Daseinsberichtigung. Doch für mich ist es genau das Gegenteil. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass ich als Beraterin meinen Job erst dann richtig gemacht habe, wenn ich einen Teil dazu beitragen konnte, dass die Mehrheit der Belegschaft im Unternehmen hinter dem Prozess stehen kann. Und das ist nur dann möglich, wenn die Meinung der Menschen, die dort Tag für Tag arbeiten nicht nur gehört, sondern vor allem auch gewürdigt und gewertschätzt wird. Daher lautet mein Appell an alle Verantwortlichen: Hören Sie auf die internen Stimmen in Ihrem Unternehmen, denn die Propheten im eigenen Land sind es wert gehört zu werden!

 

Ihre

Barbara Ries

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